1981 bringt das US-amerikanische Unternehmen Boeing sein Modell 767 auf den Markt. Airbus stellt nur ein Jahr später sein Konkurrenzprodukt vor, den A310. Beide Flugzeuge setzen auf moderne Computertechnik: Piloten verfolgen auf Bildschirmen den Zustand des Flugzeugs, erhalten Daten etwa zu den Triebwerken, zur Treibstoffversorgung und zum Kabinendruck. Technik übernimmt die Überwachung während des Flugs – und ersetzt damit die dritte Person im Cockpit, den Flugingenieur. Die Airlines tauschen die Flugzeuge nach und nach gegen neuere Modelle mit Zwei-Mann-Cockpits aus.
Die Umstellung bedroht die Arbeitsplätze vieler Flugingenieure. Der Verband sieht die Pläne kritisch und fordert den Erhalt der Flugingenieure zumindest in Großflugzeugen. Letztlich können die VC und andere internationale Pilotenverbände die Rationalisierung durch das Zwei-Mann-Cockpit nicht stoppen. Doch immerhin erzielt der Verband ein gutes Ergebnis für die Flugingenieure: Sie erhalten eine höhere Abfindung als vorgesehen – und können sich, bei entsprechender Qualifikation und altersunabhängig, zu Piloten umschulen lassen.
Die VC unterstützt diese Gruppe und bietet ihnen Übungsmöglichkeiten zur Prüfungsvorbereitung. Als einige Jahre später die Hapag-Lloyd immer weniger Flugingenieure einsetzt, profitieren auch sie von der praktischen Prüfungsvorbereitung am Simulator.
Mit der Einführung des Zwei-Mann-Cockpits wandelt sich der Arbeitsplatz der Piloten. Mehr als zuvor drängen sie nun darauf, ihn mitzugestalten – ganz konkret. Ein eigenes Modell in Originalgröße zeigt, wie Piloten sich ihr Cockpit vorstellen. Die VC präsentiert es Vertretern von Airlines, Flugzeugherstellern und Zulassungsbehörden. Auch bei der Internationalen Luftfahrtschau 1981 in Le Bourget bei Paris stößt das Modell auf reges Interesse. 1982, als die VC erstmals bei der Internationalen Luft- &Raumfahrtausstellung (ILA) in Hannover teilnimmt, zeigt sie es dort erneut.
Die VC arbeitet auch mit dem Designer Luigi Colani zusammen und entwickelt ein Modell mit Colani-typischen runden, ergonomischen Formen. Inmitten von immer mehr Bildschirmen, Schaltern, Hebeln und Instrumenten sollen die Piloten nach wie vor im Mittelpunkt stehen und auch auf langen Flügen in einer optimalen, gesundheitsschonenden Umgebung arbeiten. Die Cockpit-Entwürfe werden letztlich zwar nicht realisiert, doch der Verband erregt damit insbesondere bei den Medien große Aufmerksamkeit. So sensibilisiert die VC die Öffentlichkeit für die speziellen Anforderungen und Probleme des Pilotenberufs.
Die technische Entwicklung der Flugzeuge in den 1980er Jahren verändert nicht nur die Arbeit im Cockpit, sondern auch die Regularien der Routenplanung. Bislang musste bei Flugzeugen mit zwei Triebwerken die Flugroute so gewählt sein, dass innerhalb von 60 Minuten ein Ausweichflughafen erreichbar war, falls ein Triebwerk ausfiel. Anfang der 1980er Jahre fordern die Flugzeughersteller allerdings, die Zeitspanne auf 90 bzw. in Einzelfällen sogar auf 120 Minuten auszuweiten. Die Maschinen seien ausreichend zuverlässig, es gab seit 1980 keine Unfälle aufgrund ausgefallener Triebwerke mehr. Der Hintergrund der Forderung ist vor allem: Hersteller und Airlines wollen die neuen Flugzeugtypen, allen voran den Airbus 310 und die Boeing 767, auf Interkontinentalflügen einsetzen. Reisen über den Atlantik werden immer beliebter, und mit einer Neuregelung können die Airlines mehr Direktflüge zu niedrigeren Preisen anbieten.
Während Hersteller und Airlines in den ETOPS-Regularien (Extended Twin-Engine Operations) neue Geschäftschancen sehen, warnen die VC und andere Pilotenverbände vor Sicherheitsrisiken. In einer ihrer sogenannten Policies, einem Positionspapier, argumentieren sie, dass es nicht nur auf die Triebwerke ankomme. Alle Hauptsysteme müssten zuverlässig funktionieren. Außerdem fordern die Piloten Feuerlöscher für die Frachträume und plädieren für Mindeststandards bei den – ihrer Ansicht nach häufig unzureichend ausgestatteten – Ausweichflughäfen. Am 1. Februar 1985 fliegt erstmals eine Boeing 767 auf Grundlage der neuen ETOPS-Regeln von Boston nach Paris. Bei den Bestimmungen zur Routenplanung kann sich die VC mit ihren Forderungen nicht gegenüber den Airlines und Behörden durchsetzen. Doch die Policies werden als Instrument immer wichtiger: In ihnen legt die VC regelmäßig ihre Haltung zu wichtigen Aspekten der Berufspolitik dar, transparent für Mitglieder, Diskussionspartner und die Öffentlichkeit. Oftmals fließen die Positionen der VC direkt in Regularien und Gesetze ein.
Sicherheitsfragen beschäftigen die VC Mitte der 1980er Jahre auch deshalb immer mehr, weil die Zahl der Flüge und das Risiko für Zusammenstöße steigen. Die Luftfahrt boomt, immer mehr Menschen reisen mit dem Flugzeug. Die neuen Flugzeugmodelle verkürzen die Reisezeiten deutlich, Pauschalreisen mit Charterflügen werden beliebter. Diese dürfen zwar nicht billiger sein als die Tickets der staatlichen Airlines, doch mit den gut ausgelasteten Charterflügen können die Reiseveranstalter sehr gut kalkulieren. Bei den Pauschalreisen ins Ausland bleibt der Flugpreis vergleichsweise gering.
Ende der 1980er Jahre steigt der Anteil der Pauschalreisen an den Haupturlaubsreisen allein in Deutschland auf 40 Prozent, mehr als doppelt so hoch wie im vorausgegangenen Jahrzehnt. Und bei einem Viertel dieser Reisen nutzen die Deutschen das Flugzeug – trotz der Ölpreiskrisen und der Rezession zu Beginn der 1980er Jahre.
Dieser Trend lässt sich in vielen Industrienationen beobachten, die Tourismusbranche erweist sich als äußerst robust, obwohl die Fluggesellschaften steigende Treibstoffpreise zum Teil an die Fluggäste weitergeben. Flugreisen gehören für viele Menschen inzwischen fest zum persönlichen Lebensstil.
Zur höheren Verkehrsdichte über den Wolken trägt auch die Liberalisierung des europäischen Flugmarkts bei: Im Juli 1987 schafft die Einheitliche Europäische Akte die Voraussetzung für einen europäischen Luftverkehrsmarkt. Die (staatlichen) Fluggesellschaften sollen produktiver und wirtschaftlicher, das Fliegen soll billiger werden. Die VC warnt vor Folgen, wie sie in den USA bereits zu beobachten sind. Dort verschärft sich nach der Deregulierung der Wettbewerb, die Airlines liefern sich einen erbitterten Preiskampf. Einige neue Airlines entstehen, manche traditionsreiche Gesellschaft geht in Konkurs – insgesamt sinken die technischen Standards drastisch. Auch deutsche Airlines planen, Tochterfirmen in Spanien zu gründen und Kosten einzusparen – die VC warnt nachdrücklich vor solchem »Ausflaggen« in der Luftfahrt.
Die Lufthansa stockt ihre Flotte angesichts der steigenden Nachfrage auf. Allerdings fehlen Piloten, unter anderem weil die Airline ihre Fliegerschule in Bremen zuletzt beinahe stillgelegt und nur noch Flugingenieure zu Piloten umgeschult hat. VC und DAG unterstützen die Expansion und ermöglichen Investitionen – etwa durch den zeitweiligen Verzicht der Piloten auf bestimmte Tarifrechte. Die VC sieht vor allem, dass sich mit der Flottenerweiterung Aufstiegschancen für die Piloten ergeben. Außerdem schafft jedes zusätzliche Flugzeug 100 bis 250 Arbeitsplätze. Der Boom zeigt sich rasch auch bei Hapag-Lloyd, die entlassenes Personal wieder einstellt, und bei anderen Airlines. So expandiert die Düsseldorfer LTU und gründet mit der LTU Süd eine Tochter. Ihre Maschinen fliegen zu günstigen Tarifen von München aus. Kurz darauf gründet auch Condor mit der Südflug eine günstigere Tochtergesellschaft.
Allerdings beklagen jetzt die Fluglotsen zahlreiche Missstände am Boden: unzureichende Ausstattung, veraltete Strukturen, niedrige Bezahlung und Nachwuchsmangel. Regelungen der zivilen und der militärischen Flugsicherung, die nebeneinander bestehen, sorgen für Unklarheiten. Die VC ändert ihre Position gegenüber den Fluglotsen. Sah man ihre Anliegen in der Vergangenheit eher kritisch, wächst nun durch den intensiveren Austausch das Verständnis. Die Piloten solidarisieren sich mit den Forderungen der Fluglotsen. Auf der ILA in Hannover erklärt die VC die »Luftraumstruktur« und die »Zivil-militärische Zusammenarbeit« zu Schwerpunktthemen ihrer Podiumsdiskussionen.
Immer mehr Menschen reisen in den 1980er Jahren mit dem Flugzeug und interessieren sich dabei auch für die Arbeit der Piloten. Während des Fluges dürfen einige Passagiere kurz ins Cockpit schauen und bekommen erklärt, wie das Fliegen funktioniert, welche Informationen über die Instrumente verfügbar sind und wie die vielen Tasten und Hebel funktionieren.
Der Blick ins Cockpit hilft, Bedenken und Ängste abzubauen. Für interessierte Passagiere stellt die VC in einem »Kleinen Flugbuch« die häufigsten Fragen und Antworten zusammen. Der Berufsverband präsentiert das Buch im Westentaschenformat 1988 auf der ILA in Hannover.
Sicherheit bleibt das wichtigste Thema für die VC, da der Hochbetrieb am Himmel die Gefahr von Unfällen erhöht. Viel häufiger als Zusammenstöße und Abstürze sind allerdings Zwischenfälle wie Beinahe-Kollisionen. Die Piloten stehen vor einem Problem: Sie wollen – schon aus eigenem Interesse – die Sicherheit in der Luft erhöhen. Gleichzeitig scheuen sich manche, sicherheitsrelevante Vorfälle zu melden. Sie fürchten persönliche Konsequenzen, wenn Airlines oder Behörden sie für Zwischenfälle verantwortlich machen.
Daher führt die VC 1988 ein System ein, mit dem Piloten Vorkommnisse anonym melden können. Die Berichte leitet der Verband an die IFALPA weiter. Der Weltpilotenverband wertet diese aus, bevor die Informationen in der Datenbank der NASA gespeichert werden. Gibt es nach einer Meldung Handlungsbedarf, wendet sich die IFALPA an Hersteller, Luftfahrtbehörden der einzelnen Länder und Airlines, um Probleme rasch zu erkennen und ähnliche Vorfälle künftig zu vermeiden.
Manchmal sind es auch einzelne VC-Mitglieder, die nach Lösungen suchen. Klaus Sievers etwa entwickelt 1988 ein Computerprogramm, mit dem sich 97 Prozent aller ähnlich klingenden Flugnummernpaare genau unterscheiden lassen, was die Verwechslungsgefahr von Funkrufzeichen deutlich minimiert. Die Idee stößt in der Fachwelt auf großes Interesse.